Heinis Traktorabenteuer

Bis zum Nordkap und zurück


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Die letzten Kilometer

Süddeutschland ab Bad Mergentheim war von enormem Verkehrsaufkommen geprägt. Ich versuche diesem auszuweichen. Leider gelingt es mir nur halbwegs. Vermutlich bin ich von den menschenleeren Gebieten des Nordens verwöhnt. Der Waldcampingplatz Hüttendorf ist genau das Richtige für mich: Ruhig, wenig Neugierige, keine Gaffer. Nach einer Übernachtung geht es weiter. Auf dem Weg nach Westerheim passiert es wieder: Ein Ehepaar winkt mir und drängt mich mit mit Händen und Füssen, anzuhalten. Ich erschrecke. Habe ich etwa die Türe des Anhängers offen gelassen. Ist sonst etwas nicht in Ordnung. Ich fahre über die Mittellinie, Richtung winkendes Pärchen. Eine sehr gefährliche Aktion bei diesem Verkehr. Auf der anderen Strassenseite angekommen, halte ich an. Was ist los!? Warum haben sie mich rausgewinkt?? – Man glaubt es nicht. Die Leutchen wollen von meinem scheenen Bulldoggle nur ein Foto machen. Ja sind denn die irre, oder was!? Lebensgefährlich, so was. Echt, aber auch.

Ich beruhige mich. Über Westerheim geht’s führt mein Weg schliesslich über viele Hügel Richtung Beuren, zu meinem letzten Übernachtungsort. Ich befinde mich nur noch etwa einen Kilometer vom Campingplatz entfernt. Da passiert es. Ein lauter Knall! Ähnlich einem Gewehrschuss. Ich erschrecke, halte an. Der Motor läuft noch. Doch was ist geschehen? Ich schaue nach. Die Batterie ist explodiert und die Säure läuft unten raus. Tatsächlich. So ein Pech. Ich fahre noch die letzten Meter bis zum Campingplatz und baue dort die Batterie sofort aus. Als Ersatz muss meine Beleuchtungsbatterie aus dem Schäferwagen herhalten. Etwas verdutzt stelle ich etwas später fest, dass die Säurespritzer lauter kleine Löcher in meine Hose gefressen hat. Keine Angst, nichts passiert. Was soll’s. – Am Samstag fahre ich bei enormem Verkehr via Bregenz nach Hause. Endlich. Gesagt habe ich es niemandem. Ich möchte nur noch ankommen. Ruhig und ohne Rummel. Die „Affe im Zoo-Nummer“ hatte ich zu Genüge. Home sweet home ist angesagt. Kein Zirkus, keine Vorführungen, kein Zoo, keine Schaulustigen, keine Journalisten oder sonstwelche ungebetenen Gäste. Basta!

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Verdiente Erholung vom deutschen Verkehrsaufkommen.

Für die Statistik:

  • Gefahrene Kilometer: 8’789 km, davon 4’582 km Hinweg, 4’207 km Rückweg.
  • Wetter: Bis Helsinki heisses Sommerwetter. Bis zum Norkap kalt. Rückweg nass bis zur deutschen Grenze.
  • Reparaturen: Verdeck mehrfach geschweisst. Vordere Pneus achteckig (ab-)gefahren. Scheibenwischermotor sechsmal notdürtig repariert. Motorhaubenaufhängung beidseitig gerissen. Der 15er selbst ist immer super gelaufen.
  • Dieselverbrauch: Sehr mässig, ca. 40 Liter in zwei Tagen.
  • Ölverbrauch: ¾ Liter auf der Hinreise, Ölwechsel in Finnland.
  • Meine Kochkünste: Nicht nur mässig, sondern lausig. Salat kann ich nun, und Pasta mit fertiger Fleischsauce geht auch gerade noch so. In Zukunft lebe ich aber nach dem Motto: Meine Frau kocht und ich esse (klassische Arbeitsteilung). – Dazu gehören immer zwei, gell Papa 🙂 (Anm. d. Red.)

Dank und Abschluss:

  • Meiner lieben Frau Kathrin danke ich für die Akzeptanz und die Unterstützung meiner Wahnsinns-Reise.
  • Urs danke ich für die Administration des Blogs (Gern geschehen – Anm. d. Red.).
  • Den Sponsoren (Tagebuch/Esswaren und Geräte/sowie materieller Art): Sabine und Patric, Toni und Peter, Urs und Sonja, Fischlis.
  • Franz Öller für die Unterstützung in Form seiner Abhandlung und die Revision des 15ers.
  • Allen Lesern und Interessierten für die Geduld und ihr Interesse.

Es war eine einmalige Reise. Mit vielen guten Erlebnissen und Bekanntschaften. Ein spannendes Abenteuer, wenn auch ein etwas wahnsinniges. Dennoch wird es keine Wiederholung geben. Mein Ziel – das Nordkap – habe ich erreicht. Hurra!

Liebe Grüsse an alle !!!

Heini und sein 15er


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Deutschland bis Dresden

Liebe Leute

Nun bin ich eine Woche unterwegs und habe bereits enorm viel erlebt.

Über den Weg via Österreich, Süddeutschland und weiter hinauf Richtung Fichtel- und Erzgebirge möchte ich nicht viel erzählen, nein ich möchte Euch von den vielen Begegnungen mit fremden, aber mir bald wohlvertrauten Menschen, die ich angetroffen habe berichten.

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Mit Überschallgeschwindigkeit auf Deutschlands Strassen

Es beginnt auf der Strecke nach Bregenz, wo mich um 05.30 Uhr zwei ca. 20jährige Punker-Mädchen bedrängen, sie als Autostopperinnen mitzunehmen. Da ich einfach weiterfahre, sehe ich im Rückspiegel den bekannten Finger und andere Gesten. Sei’s drum.

Im Raum Memmingen halte ich kurz auf einem Parkplatz an, um zu kontrollieren, ob alles an meinem Gefährt in Ordnung ist. Ein tschechischer Chauffeur, welcher sonntags nicht fahren darf, kommt zu mir hin und beginnt zu fotografieren. Dann bedankt er sich mit einer Dose Bier aus seiner Heimat und gibt mir viele gute Wünsche mit auf den Weg. An diesem ersten Tag friere ich – v.a. an Beinen und Füssen – als sei es Winter.

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Kletterparadies in Wellheim

Am darauf folgenden Montag komme ich bis nach Wellheim, wo ich auf einem riesengrossen Parkplatz der Gemeinde schlafen kann. Ich habe schon ein wenig Angst – aber pst, nicht weitersagen 🙂 Ein ehemals protestantischer Pfarrer besucht mich dort. Er war einige Jahre Verlagsleiter in Stein am Rhein, danach hat er sich als Busunternehmer selbständig gemacht. Im gleichen Ort sehe ich später einen Kletterfelsen von mindestens sechzig Metern Höhe – ein Wahnisnn!

Dienstag, 7. Mai: An diesem Tag bin ich oberschlau und fahre im Fahrrad-GPS-Modus, leider dementsprechend auch über kleinste Wege dem Limes-Weg entlang. Erstaunlich, dass die Römer hier schon um 90 n. Chr. ihre Zelte aufschlugen. Auf diesen mittelalterlichen Löcherwegen bricht mir dann auch tatsächlich in Erkelshofen die Aufhängung des Verdecks. Übernachten kann ich in der Sippel-Mühle. Insgesamt bin ich an diesem Tag nur 96 Kilometer weit gefahren. Hier erlebe ich zum ersten mal so richtig, wie es sich als Traktorfahrender Wahnsinniger anfühlt. Vor allem wenn einem alle Leute Löcher in den Bauch fragen: Was, warum, wohin, wie lange? … etc. etc. Das öffentliche Interesse scheint enorm. Ich geniesse es. Mein Gefährt ist ein Publikumsmagnet.

Mittwoch 8. Mai: Zum Glück fahre ich bei einer John-Deere Generalvertretung vorbei und der Geschäftsführer ist auch sofort bereit, mir die Aufhängung zu schweissen: Sogar gratis und mit den besten Wünschen. Mein Trinkgeld für die Kaffeekasse wird aber zum Glück gerne angenommen. Der 15er (mein Traktor) war übrigens zutiefst beleidigt, als er neben den grossen John Deere-Maschinen parken musste. Die Räder jener sind schliesslich höher, wie seine Gesamthöhe. Ich habe ihn natürlich sofort getröstet, sanft den Tank gestreichelt und ihm wie jeden Tag versichert, wie zufrieden ich mit ihm sei. In Windischeschenbach auf dem Campingplatz Schweinemühle mache ich Halt. Auch hier wieder nur nette Leute. Ein Bayrischer Steuerbeamter schenkt mir beim Abschied eine seltene Flasche Bier. Danke! Auf einem Parkplatz bei einem Supermarkt will ich losfahren, da kommen zwei Arbeiter vorbei. Der eine steht vor den 15er, schaut sich die Kurbel an und sagt: „Soll ich ankurbeln???“ –  Gerne, sage ich, bereits mit einem Lächeln im Gesicht, weil ich weiss, was nun kommen wird. Er nimmt die Kurbel in die Hand, macht eine halbe Drehung, dann kann er nicht mehr. Er schaut mich an und sagt: „So eine  Sch…..“, und zieht weiter. Ein älterer Herr kommt vorbei und sagt: „Ich kenne sie doch, sie sind in der Camper-Zeitung. Schön meine ich, ich weiss von nichts 🙂

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Gut gespiesen ist halb gefahren

Nun bin ich im Fichtelgebirge. Immer rauf und runter, rauf und runter, mit bis zu 14% Steigung. Im vierten Gang bei 25 kmh, im dritten bei zwölf kmh, im zweiten bei neun kmh. Auf der anderen Seite des Berges hole ich dann wieder auf. Im Leerlauf fahre ich mit sagenhaften 37 kmh durch die Gegend. Nur Fliegen ist schöner.

Donnerstag, 9. Mai (Vatertag): Ich fahre bis zur Talsperre Pirk in Ölsnitz. Ein wanderndes Ehepaar sagt mir zum Glück, dass es hier einen Campingplatz hat. Danke. Viele besoffene Jugendliche gehen in Gruppen zu Fuss mit Veloanhänger und zwei Kisten Bier da rauf und wer nicht mehr kann wird obenauf gelegt. Hier im Vorgtland ist das Leben irgendwie einfacher und fröhlicher. Bei der Ankunft auf dem Platz ist nämlich bereits ein Riesen-Fest im Gange und eine ältere Bierverkäuferin fragt. „Du Schweizer, wann bist du wieder zu Hause?“ „Am 15. September“, sage ich.  „Und wenn deine Frau dich nicht mehr will ???“ – „Die freut sich, wenn ich heimkomme.“ – „Und sonst kommst Du zurück und ziehst bei mir ein“, meint sie.

Wieder stehen viele Leute um mein Fahrzeug. Vier Männer bleiben besonders in Erinnerung: Ein Dachdecker, ein Chauffeur, ein Lagerist, – der Beruf des Vierten ist mir leider entfallen. Plötzlich zieht der Dachdecker einen Fünf-Euro-Schein aus der Tasche und sagt: „Trink unterwegs mal ein Bier.“ Die Bierfrau (Elke) kann später kaum begreifen, dass da einer kommt und eine Cola trinkt und kein Bier. Bei meinem Abschied muss ich der Platzleiterin zudem fest versprechen, zusammen mit meiner Frau wiederzukommen.

Freitag, 10. Mai: Nun bin ich im Erzgebirge. Hier hat es viele Löcher in den Strassen. Immer noch ein Rauf und runter, rauf und runter. Alles im Leerlauf. Ich bin erstaunt, dass ich keine Rückenschmerzen habe. Aber altes Holz ist schliesslich beständig. Ich schlafe nahe einer Fischzucht. Es ist menschenleer.

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Das sympathische Wirtshaus „Kalter Muff“

Samstag, 11. Mai: Der Tag beginnt gut, ich mache ein Foto von der Gegend und der einsamen Waldschenke zum „Kalten Muff“. Die Wirtsleute kommen und fragen mich, ob ich friere (ich muss blau angelaufen sein – nein, nicht vom Alkohol, von der Kälte…). Ich bejahe und schon werde ich zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Danke liebe Wirtsleute.

In der Nähe findet ein Burgfest statt. Die entsprechende Umleitung bedeutet 40 km mehr Fahrt (2 1/2 Stunden in meinem Tempo). Zwei Grossbauern auf dem Feld möchte ich fragen, ob sie eine bessere Strecke kennen. Die beiden grinsen sich gegenseitig an. Keine Antwort. Ich frage erneut. Immer noch dasselbe doofe Lachen. Beinahe ticke ich aus. Ruhig fahre ich weiter.

Themenwechsel. Seit vielen Jahren nicht mehr gesehen: Ein Wiesel springt über die Strasse einer Maus hinterher. Im selben Augenblick überfährt der Gegenverkehr beinahe das Wiesel. „Haste Schwein gehabt!“, rufe ich hinterher. Übrigens: Sobald mich die vielen Pferde entlang den Koppeln hören, eilen sie zum Zaun und beobachten mich. Dann sage ich ihnen jeweils: „S’ist schon gut, ganz ruhig und tschüss. Übrigens: Ich kann nicht einmal singen während der Fahrt: Es ist so laut vom Getriebe- und Motorenlärm, dass ich mich selbst nicht einmal hören kann.

Ich muss tanken. Die alte Frau ist an der Kasse fragt: „Wohin geht’s?“ –  „Zum Nordkap sage ich.“ Sie sperrt den Mund weit auf und kriegt ihn nicht mehr zu. Ich krieg‘ es mit der Angst zu tun. Verdammt mein Erste Hilfe-Kurs ist schon lange her, denke ich. „Muss ich ihnen erste Hilfe anbieten??? „Nein“, sagt sie, „Verarschen kann ich mich selbst.“ Das wars. Ich ziehe weiter.

Sonntag: Ich fahre nicht, mache Service am Fahrzeug und ein ehemaliger Elektrikermeister – mein Platznachbar – hilft mir meinen Scheibenwischer zu reparieren. Danke.

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Say „Cheese“

Am Samstagabend stehen siebzehn Schaulustige um mein Gefährt. Als Beweis das Foto nebenan.

Die nördlich gelegenen Platznachbarn – ein Student mit seinen Eltern und eine befreundete Familie laden mich zum Nachtessen ein. Puh, bin ich froh, um 19.30 Uhr nicht noch kochen zu müssen. Ich hätte sonst was Kaltes gegessen.

Wenigstens kann ich hier ins Internet. Der Student hilft mir beim Einrichten. Leider läuft Outlook nicht wie gewohnt.

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Mein treuer Begleiter

So, das war’s fürs Erste. Jetzt geht es Richtung Polen. Internet-Anschluss wird dort Glücksache sein. Nächstes Mal gibt’s etwas mehr Text zur Gegend und zur Geographie.

Für das Logbuch: Ich bin jetzt 920 Kilometer von zu Hause entfernt. Tanken muss ich jeden zweiten Tag ca. 20 Liter. Ich fahre mit 1,1 atü Druck in den Reifen, weil ich sonst bei den schlechten Strassen auch noch meine letzten Haare verlieren würde 🙂

Weiter geht’s. Liebe Grüsse an alle!

Und Tschüss !